In Tansania wird Female Genital Mutilation / Cutting (FGM/C) vor allem von den Maasai aber auch anderen ethnischen Gruppen als Teil eines traditionellen Initiationsrituals praktiziert. Es markiert bei den Maasai den Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenalter und erklärt Mädchen für heiratsfähig. Während NAFGEM (Network against female genital mutilation) vor Ort seit über 20 Jahren Präventionsarbeit leistet, um unbeschnittene Mädchen vor dieser Praxis zu schützen, bleibt für bereits betroffene Frauen oft nur die Hoffnung auf medizinische Hilfe. Eine ganzheitliche Lösung bietet die plastisch-chirurgische Rekonstruktion von Vulva und Klitoris: Sie ermöglicht es Frauen, sowohl die Funktion als auch die Form des verletzten Genitals wiederzuerlangen, chronische Schmerzen zu lindern, geburtshilfliche Risiken zu reduzieren und ihre sexuelle sowie psychische Gesundheit zu verbessern.
Das Projekt reVulv des Vereins NESDI e.V. setzt dort an, wo Prävention zu spät kommt. In Kooperation mit dem Kilimanjaro Christian Medical Center (KCMC)-Krankenhaus in Moshi (Kilimanjaro) entsteht mit reVulv das erste Kompetenzzentrum in Ostafrika, das sich auf die medizinische Versorgung und Rekonstruktion von Vulva und Klitoris nach weiblicher Genitalbeschneidung spezialisiert. In der Manyara-Region im östlichen Tansania liegt die Prävalenz von FGM/C mit 43% deutlich höher als im nationalen Durchschnitt (8%). Seit 2023 arbeitet NESDI e.V. gemeinsam mit der tansanischen Partnerorganisation NAFGEM und einem Team aus erfahrenen Fachärzt*innen aus Deutschland und Tansania an der Realisierung dieses wegweisenden Projekts.

Im Januar 2025 reisten Dr. Maryam En-Nosse und Dr. Isabel Runge – beide Expertinnen auf dem Gebiet FGM/C und rekonstruktive Operationen der Vulva – für zwei Wochen nach Moshi. Nach zwei Jahren der Planung und Vorbereitung konnten sie in Zusammenarbeit mit den tansanischen Kolleg*innen offiziell die Arbeit am KCMC-Krankenhaus in Form einer FGM/C-Sprechstunde und ersten Operationen beginnen. Damit das Projekt erfolgreich realisiert werden kann, ist auch die Unterstützung der Regierung und des örtlichen Gesundheitspersonals sowie die Bereitschaft der Betroffenen selbst wichtig, sodass während der zweiwöchigen Reise unter anderem Gespräche mit dem District Medical Officer, Hebammen und Pflegepersonal des Distriktkrankenhauses stattfanden. Ebenso relevant sind kulturelles Verständnis und der Austausch mit Betroffenen wie auch ehemaligen Beschneiderinnen, die sich nun durch die Hilfe von NAFGEM aktiv in der Aufklärungsarbeit engagieren und als Multiplikatorinnen dazu beitragen, FGM/C langsam zu überwinden. Durch die Zusammenarbeit mit den lokalen Akteur*innen im Gesundheitswesen wird die Vor- und Nachbetreuung der Frauen gewährleistet.
Neben der chirurgischen Rekonstruktion und der Aufklärungsarbeit beinhaltet das Projekt reVulv auch die Entwicklung eines umfassenden Lehrcurriculums, welches sowohl Basiswissen zu FGM/C als auch die spezialisierten mikrochirurgischen Operationstechniken umfasst, und ein Weiterbildungsprogramm und Trainingseinheiten für Gesundheitspersonal und Studierende am KCMC-Krankenhaus. Außerdem konnte dank großzügiger Spenden von medizintechnischen Unternehmen sowie Privatpersonen notwendige chirurgische Instrumente und Geräte übergeben werden.
Die Relevanz des Projekt reVulv zeigt ein Zitat der ersten operierten Frau am Tag nach ihrer Operation im KCMC-Krankenhaus in Moshi:
„I am a complete woman now.“







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